Black Ink home



   Und leise flüstert die Liwûna:
   "Alle, die hier im Nebelreiche liegen, hatten so viel geträumt - ihr ganzes Leben hindurch. Im Traume schwebten sie durch viele Sonnen Monde und Sterne. Dann aber kam eine Nacht, in der sie nicht mehr von all den Glanzwelten träumten. Ihre Freude am Traumleben war zerstört - von einer unsichtbaren Hand. Und die Nacht wurde finster. Sie lagen da in banger Pein, und ihnen wurde so schwer. Sie fürchteten sich auf einmal vor einer schweren Stunde; ihnen war so, als käme das grosse Schweigen heran. Und sie hatten Angst vor dem grossen Schweigen - Angst vor dem grossen Sterben. Und dann dachten sie an die ersten Jahre ihres Lebens - an Eltern Freunde und Frauen - an Kinder und Greise - an alte Möbel und alte Stuben, die garnicht mehr da waren - oder zerfielen wie altes Gemäuer am Meeresstrande, wenn die grossen Wogen unaufhörlich gegenschlagen. Und die Gedanken an das Vergängliche machten so schwer; die schweren Hände wollten noch was greifen - aber sie wussten nicht was. In der Finsternis nur bleiche Angst und Herzenskrampf."
   Und dem Kaidôh wird zu Mute, als träume er noch einmal einen langen Kindheitstraum; in dem Traume entwickelt sich Alles sehr schnell, der Träumende wird älter und anders und empfindet zugleich, dass er das Älter- und Anderswerden nur träumt.
   Und die Liwûna fährt leise fort:
   "Und da packte die Traurigen, als die schweren Stunden allnächtlich wiederkehrten, ein neues Empfinden an. Sie näherten sich langsam dem grossen Geiste, der überall ist - auch in ihrer Brust. In seiner Nähe fanden sie ihre alte Traumruhe wieder, und sie vergassen ihre Angst und gaben sich in der geheimnisvollen Stille der Finsternis ganz dem Grossen hin, der keinen Namen hat - der das Ewige ist - der bleibt, wenn auch alles vergeht. Ging es Dir nicht ähnlich, mein lieber Kaidôh?"
   Ein paar Kinder öffnen unten ihre kleinen Fäuste und irren mit den kleinen Fingern durch die Luft.
   Kaidôh träumt noch und empfindet das Verwirrende und Erschöpfende des Traumes; er möchte aufwachen, kann aber nicht - es liegt sich auch so gut und weich.


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