"Es war einmal
eine junge Gans, die wohnte in einem kleinen See im Wald. Dort lebte sie
glücklich, bis es ihr eines Tages zu langweilig wurde, immer nur
zu baden, Schilfpfeife zu rauchen und sich von Fröschen, schleimigen
Würmern und drahtigen Schnecken zu ernähren. Deshalb machte
sie sich eines Morgens auf den Weg in die Welt hinaus.
Irgendwo kam sie an
ein großes Schild, eine Werbung für polnische Hafermastgänse.
Neidisch betrachtete die Gans die dicken, präch-tigen Wänste
der abgebildeten Sonnyboys, und sie beschloß bei sich, auch eine
Hafermastgans zu werden. Sie wußte zwar nichts über deren sonstige
Tätigkeit (essen taten sie jedenfalls nicht schlecht!), aber sie
hielt sich selbst für gewitzt genug, den Job zu meistern (insgeheim
hielt sie ‘Die Hafermastgänse’ für den Decknamen einer Eliteeinheit
der polnischen Polizei). Also machte sie sich auf nach Polen.
Unterwegs traf sie
einen Dackel, der an einer Hofkette lag.
‘Wohin des Weges,
Gans?’, fragte der.
‘Nach Polen, Hafermastgans
werden!’, schmetterte die Gans zurück.
Der Hund blickte verstört
drein und sprach nach kurzem Bedenken:
‘Ich fürchte,
ich muß dir da was erklären. Bitte folge mir in meine Kanzlei,
ich bin nämlich Anwalt.’
Da der Dackel keine
Zähne mehr hatte und außerdem sowieso viel kleiner war als
sie, folgte die Gans ihm ohne Bedenken in seine Hundehütte. Und als
sie wieder herauskam, schimpfte sie vor sich hin:
‘So ein Wichtigmeier!
Die Anwälte sind doch alle gleich: quatschen einem die Ohren voll
und verderben einem jeden Spaß! Mir haben die Jungs auf dem Plakat
jedenfalls nicht den Eindruck von >>geknechteten, ausgenutzten Kreaturen<<
oder solchem Käse gemacht. Fitte, gesunde Burschen sind das, denen
macht keiner was vor! Na, wenigstens hab ich ihm anständig eins auf
die Mütze ge-geben und ihn gezwungen, mir gleich einen offiziellen
Arbeitsvertrag nach meinen Anweisungen zu schreiben...’
Noch lange so vor
sich hinbrummelnd und die Anwaltssitzung in den nicht allzu zahlreichen
Windungen ihres Gänsleingehirnes verarbeitend, kam sie schließlich
in Polen an und ging schnurstracks zur ersten Hafergansmästerei.
Auf ihr Verlangen wurde sie zum Chef vorgelassen, dem sie ihren Vertrag
auf den Tisch knallte. Er las ihn durch und kam dann zum Kleingedruckten:
‘...Die einzige Vertragsbedingung,
die ich stelle, ist, daß ich immer um Weihnachten und den Sankt-Martinstag
herum frei habe.’
Der Firmenleiter grinste
darüber wohlgefällig in seinen gut genährten Schnauzer.
Die Gans aber - die
von dieser Klausel nichts wußte, denn der Anwalt hatte sie ohne
ihr Wissen in den Vertrag gesetzt, und sie konnte ja nicht lesen - dachte,
der Chef könne sie als Elitepolizistin nicht akzeptieren und lache
deswegen. Sie fühlte sich provoziert und erdolchte den Firmenleiter
mit einem Brieföffner aus Hohlknochen. Da es keine Erben gab, gelang
es ihr, die Leitung der Firma an sich zu reißen, und heute ist sie
die fetteste und dekadenteste Sau der Branche."
...
|