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Viel später erreichte er eine Tür, die ihm von einem besoffenen Zwergen gewiesen worden war. Inzwischen war er sehr erschöpft, hungrig, durstig und vor allem hundemüde. Er stieß die Türe auf und befand sich am Anfang eines Ganges, der von einer Handlaterne erleuchtet war. Hier saß ein mannshohes E auf dem Boden und schnitzte ein Pfeifchen aus Holunder. Neben dem E lag ein Lexikon mit der Aufschrift: "Éisch - Deutsch/ Deutsch - Éisch".

Egon sagte: "Servus!"

Das E langte nach seinem Wörterbuch, schlug darin nach und antwortete mit starkem éischen Akzent: "Hellö!".

"Wer bist du?"

Um darauf antworten zu können mußte das E seine Deutschgrammatik benutzen, die es aus der Innentasche seines Trenchcoats fingerte:

"Ech séin éine E."

Hierauf entspann sich ein kurzes Gespräch zwischen den beiden, das wegen der Sprachschwierigkeiten ca. zwölf Stunden dauerte, hier aber nur fünf Zeilen füllen würde. Das lohnt das Hinschreiben nicht, und außerdem handelte es sowieso (eh!) nur vom Wetter; deswegen lasse ich es weg: Dafür ist mir der Platz zu schade.

Dann fragte der Knabe:

"Was tust du hier?"

Das E antwortete stockend:

"Ech séin äus dem Typenräd éiner Schréibmäschene gefällen." Mit einem Schlag fing das E zu weinen an. "Räusgefällen! Plümps! Ünd ech nié wiéder zürück känn, denn selbst wenn ech fende méine Schréibmäschene je wiéder..."

"Moment, Moment", unterbrach der Junge. "Was zum Geier ist ei ne ‘Schréibmäschene’? Das heißt - ‘schreiben’ kenne ich. Aber was heißt ‘Mäschene’?"

Das E hörte so plötzlich, wie es der Lexikongebrauch zuließ, zu weinen auf:

"Dü kennst necht ‘Mäschene’? Dü wéißt necht, wäs ‘Mäschene’ est?" Und dann lachte es schallend und konnte sich garnicht mehr beruhigen, während Egon, genervt und erschöpft, die Augen verdrehte.

Das Lexikon ergriff die Gelegenheit, sich vom E unbemerkt neben Egon zu schleichen, ihm den Ellenbogen in die Seite zu stechen und auf das E zeigend zu flüstern:

"Das E hier ist nicht ganz brezi. Was es da faselt von wegen Metschene oder so, alles Schmarrn. Es ist ein E wie alle Es. Alles, was es verzapft, ist erschwindelt."

Der Knabe glaubte ihm aufs Wort. Er sagte "Viel Spaß noch, ihr zwei beiden" und schaute, daß er weiterkam, denn schon nahte ein A mit einem Lexikon unterm Arm und begann, auf das E einzuschwätzen. Aber das schien nicht zu verstehen, und das Lexikon konnte ihm auch nicht helfen, jedenfalls wurde die Diskussion immer lautstärker und begleitete Egon noch lange auf seinem Weg durch den Gang.


 

 

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