Vor einer Tragödie stehen wir.
Der grossartige Militarismus des neunzehnten Jahrhunderts wird demnächst
"aufgelöst" werden.
Wer das liest oder hört, lacht natürlich und glaubt nicht daran - nicht
im Traum.
Es ist auch kaum zu glauben. Diese grandiosen europäischen Volksheere, die
kolossalen Festungen und die wundervollen Seeflotten sind mit dem modernen Kulturleben
so innig verwachsen, dass man eine Auflösung dieser Kultur-Herrlichkeit ohne
Weiteres für eine Unmöglichkeit hält. Eher würde man an den
Untergang der Erde glauben.
Und doch - wenn wir nicht alle Logik umbringen wollen, so müssen wir an
die Auflösung des bisherigen Militarismus glauben; der Luftmilitarismus ist
eben stärker als die Landheere, Festungen und Seeflotten.
Die Militärschriftsteller sind in bemitleidenswerter Verlegenheit. Sie können
garnicht konsequent in ihren Betrachtungen sein.
"Wo wird", schreibt Oberst S. A. Cody, "die Schlagfertigkeit der
mächtigen Heere und des undurchdringlichen Walls der Seeflotte bleiben, wenn
die Luftflotten die Herrschaft fuhren? Dass Heer und Marine noch nötig sein
werden, ist unbestreitbar...."
Warum das unbestreitbar ist, erfahren wir nicht. Wo wird, kann man nur immer wieder
fragen, die Logik bleiben, wenn die Militärschriftsteller immer wieder so
unlogisch denken und schreiben. Ich habe in den letzten Wochen mindestens ein
Dutzend logische Ungeheuerlichkeiten bei den Militärschriftstellern entdeckt.
Man könnte wirklich ungeduldig werden, wenn man nicht einsehen müsste,
dass die Militaristen fast gezwungen sind, unlogisch zu sein, da sie Rücksicht
auf die bestehenden Zustände schlechterdings nehmen müssen.
Für mich, der ich keinem Militärverbande angehöre, ist eine derartige
Rücksicht nicht vorhanden, und somit kann ich meine Meinung kurz und deutlich
folgendermassen formuliren:
Ein lenkbarer Luftkreuzer kann 200 Centner tragen - d. h. 100 Dynamit-Torpedos,
wenn jedes 1½ Centner schwer ist. Damit kann man eine Stadt so beschädigen,
dass nicht viel Ganzes übrig bleibt. Nun kann aber ein Staat in Jahresfrist
ein paar hundert derartiger Luftkreuzer herstellen. Wer will nun im Ernste behaupten,
dass solche Luftflotten den Landheeren, Festungen und Seeflotten nicht überlegen
sind?
Alle Luftschiffe greifen selbstverständlich einzeln das feindliche Land an
- nicht in Reih und Glied - wie sich das ein Kriegsutopist schon ausgemalt hat.
Ausserdem greifen die Luftschiffe nachts an. Und da können sie doch in ein
paar Stunden so viel zerstören, dass von den Landheeren, Festungen und Seeflotten
nicht viel übrig bleiben dürfte.
Es ist doch nicht möglich, das zu bezweifeln.
Das Dynamit braucht ja nur runtergeworfen zu werden.
Man könnte nun einwenden, dass dabei viele Torpedos nicht ihr Ziel treffen
dürften.
Indessen - die Torpedos lassen sich auch auf unbemannte Gleitflieger legen, und
diese lassen sich durch drahtlose Telegraphie "lenken." Diese Lufttorpedos
werden also ihr Ziel nicht verfehlen. Die Torpedos lassen sich ja im Wasser durch
drahtlose Telegraphie lenken - also gehts auch in der Luft.
So sieht der Luftmilitarismus aus. Und dagegen soll der bisherige Land- und See-Militarismus
seine Stellung behaupten. Dass das nicht geht, möchte ich in den folgenden
kleinen Artikeln umständlichst auseinandersetzen:
[ I ]
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